Willkommen zu einer neuen Ausgabe von "netzbewusst", dem Podcast, der im Brackwasser von zwischen Technologie, Gesellschaft und Philosophie erkundet. Wo wir nicht allzu tief einzutauchen versuchen, sondern stattdessen den Mund über Wasser zu halten.
Ich bin Damian Paderta und in der heutigen Episode werden wir uns mit den Themen "Traurigkeit auf Abruf: Soziale Medien und der Kampf um das Wohlbefinden"auseinandersetzen.
Also, schnappt euch euer Lieblingsgetränk oder Tablette zur Stimmungsaufhellung – ihr werdet es vielleicht brauchen – denn wir werden die nicht ganz so sonnige Seite unserer geliebten Social-Media-Plattformen erkunden.
Bevor ihr jetzt mit den Augen rollt und denkt: "Toll, noch so eine Boomer-Tirade darüber, wie schlecht Handys sind", hört mir zu. Nein, heute tauchen wir in einige wirklich faszinierende Ideen aus einem Buch ein, das mir sehr gut gefallen hat und mich selber auf weiter Gedanken gebracht hat: "Sad by Design: On Platform Nihilism" von Geert Lovink.
Lovink ist nicht einfach irgendein Typ mit einer Vendetta gegen Facebook. Lovink, ein renommierter niederländischer Medientheoretiker und Gründer des Instituts für Netzwerk-Kulturen, präsentiert in seinem Werk eine schonungslose Analyse der psychosozialen Auswirkungen sozialer Medien. Seine zentrale These des "Plattform-Nihilismus" verdient unsere eingehende Betrachtung.
Im Grunde ist er jemand, der über das Internet nachdenkt, während der Rest von uns damit beschäftigt ist, durch selbiges zu scrollen.
Worum geht's also in diesem Buch? Nun, wir wollen herausfinden, was Lovink mit "Plattform-Nihilismus" meint und wie seiner Meinung nach die Traurigkeit Teil des Designprinzips von bestimmten sozialen Plattform zu sein scheinen. Keine Sorge, ich werde es versuchen zu erklären, was das bedeutet, ohne weitere Traurigkeit auszulösen.
Zunächst müssen wir uns fragen: Was genau meint Lovink mit diesem Begriff? Stellt euch vor, ihr seid auf einer Party. Aber anstatt euch unter die Leute zu mischen und Spaß zu haben, steckt ihr in einer Ecke fest, checkt zwanghaft euer Handy und fühlt euch zunehmend ängstlich und leer. Das ist Plattform-Nihilismus in einer Nussschale. Es ist dieses allgegenwärtige Gefühl der Sinnlosigkeit und Entfremdung, das daher kommt, ständig mit sozialen Medien verbunden zu sein.
Der Plattform-Nihilismus beschreibt einen Zustand existenzieller Leere und Entfremdung, der durch die kontinuierliche Interaktion mit sozialen Medienplattformen entsteht.
Ich weiß, was ihr jetzt denkt: "Aber ich liebe es, durch niedliche Katzenvideos zu scrollen!" Und hey, wer tut das nicht? Aber Lovink behauptet, dass unter der Oberfläche unserer Lieblingsapps etwas Tieferes und Dunkleres vor sich geht.
Denkt mal darüber nach: Wie oft habt ihr euch schon dabei erwischt, wie ihr gedankenlos durch Instagram scrollt und euch mit jedem perfekt gefilterten Foto, das ihr seht, schlechter fühlt? Oder wie wäre es mit diesem miesen Gefühl, wenn euer geistreicher Post nicht die Zustimmung bekommt, die ihr erhofft hattet? Das liegt nicht daran, dass ihr überempfindlich seid – es ist so konzipiert.
Lovinks Analyse geht jedoch über die rein philosophische Betrachtung hinaus. Er verortet den Plattform-Nihilismus im Kontext einer größeren ökonomischen Struktur, die er als "Aufmerksamkeitsökonomie" bezeichnet. Dieses Konzept, das auf den Ökonomen Michael Goldhaber zurückgeht, besagt, dass in der Informationsgesellschaft Aufmerksamkeit zur knappsten und damit wertvollsten Ressource wird. Diese Plattformen sind also systematisch darauf ausgelegt , uns in einem Zustand leichter Depression und Apathie zu halten. Sie fangen uns in endlosen Zyklen von Inhaltskonsum und -produktion ein, immer auf der Jagd nach dem nächsten Dopamin-Kick durch einen Like oder Retweet.
Stellt euch vor, eure Aufmerksamkeit wäre wie eine Währung, und jede Sekunde, die ihr in diesen Apps verbringt, ist wie eine Münze, die ihr Mark Zuckerberg oder Jack Dorsey in die Hand drückt. Diese Unternehmen verkaufen euch nicht nur einen Dienst – sie verkaufen euch an Werbetreibende. Eure Augen, eure Klicks, eure Daten – all das ist Teil einer riesigen wirtschaftlichen Maschine, die eure FOMO in ihre FOMO verwandelt... Fear of Missing Out on Profits, versteht sich.
In diesem Paradigma werden unsere kognitiven Prozesse – unsere Aufmerksamkeit, unsere Emotionen, ja sogar unsere Langeweile – zu Waren, die von den Plattformen extrahiert und monetarisiert werden. Jeder Scroll, jeder Like, jeder Moment der Prokrastination wird zu einem Datenpunkt in einem komplexen Algorithmus, der darauf ausgelegt ist, uns in einem Zustand permanenter Engagement zu halten. Die Kommodifizierung der Aufmerksamkeit also.
Dies führt uns zu einem zentralen Paradoxon der Plattform-Ökonomie: Je mehr wir interagieren, desto entfremdeter fühlen wir uns. Es ist, als würden wir in einem digitalen Panoptikum leben, einem Konzept, das der Philosoph Michel Foucault aus einem Gefängnisdesign ableitete, wo alle Insassen alle anderen sehen können. In diesem virtuellen Panoptikum sind wir gleichzeitig Beobachter und Beobachtete, ständig damit beschäftigt, uns selbst und andere zu überwachen und zu bewerten.
Lovink argumentiert, dass diese Dynamik systematisch eine Kultur der Depression und Apathie fördert. Die ständige Exposition gegenüber kuratierten Darstellungen des Lebens anderer führt zu dem, was der Soziologe Émile Durkheim als "anomischen Zustand" bezeichnete – ein Gefühl der Orientierungslosigkeit und Normlosigkeit in einer sich schnell wandelnden Gesellschaft.
Jetzt kann ich einige von euch fast sagen hören: "Aber soziale Medien sind doch nicht nur schlecht! Was ist mit dem Kontakt zu Freunden oder der Organisation von Protesten?" Und ihr habt nicht Unrecht. Lovink erkennt an, dass diese Plattformen für Gutes genutzt werden können. Aber er argumentiert, dass wir viel kritischer damit umgehen müssen, wie wir sie nutzen.
Er spricht von der Notwendigkeit digitalen Aktivismus und Widerstands. Stellt euch vor, wir könnten soziale Netzwerke schaffen, die uns nicht jedes Mal ein schlechtes Gefühl geben, wenn wir sie benutzen. Plattformen, die auf Prinzipien der Gemeinschaft und Solidarität aufbauen, statt auf Ausbeutung und Sucht. Das klingt utopisch, aber, die Idee, das gesamte Internet in der Tasche zu tragen, war es vor gar nicht allzu langer Zeit auch.
Was können wir also dagegen tun? Nun, Lovink gibt uns keine einfache "Löscht Facebook und alles wird gut"-Lösung. Doch Lovinks Analyse ist nicht nur eine Diagnose unserer digitalen Malaise.
Stattdessen fordert er uns heraus, kritisch über unsere Beziehung zu diesen Plattformen nachzudenken. Vielleicht ist es an der Zeit, einige Grenzen mit eurem Handy zu setzen. Oder nach alternativen Plattformen zu suchen, die mehr mit euren Werten übereinstimmen.
Er skizziert auch Wege des Widerstands und der Neugestaltung unserer Online-Räume. Hier greift er auf das Konzept der "Taktischen Medien" zurück, das in den 90er Jahren von Medienaktivisten entwickelt wurde. Es geht darum, die Werkzeuge der dominanten Medienkultur zu nutzen, um sie zu unterwandern und alternative Narrative zu schaffen.
In diesem Sinne ruft Lovink zu einem "digitalen Exodus" auf – nicht als vollständiger Rückzug aus den digitalen Räumen, sondern als bewusste Neuausrichtung unserer Online-Praktiken. Er plädiert für die Entwicklung alternativer Plattformen, die auf Prinzipien der Solidarität und des Gemeinwohls basieren, anstatt auf der Ausbeutung unserer Aufmerksamkeit.
Zum Abschluss dieser Folge möchte ich euch ein Gedankenexperiment mit auf den Weg geben. Stellt euch vor, Social-Media-Plattformen wären darauf ausgelegt, euch ein gutes Gefühl zu geben, echte Verbindungen zu fördern und euch zu bestärken, anstatt auszubeuten. Wie würde das aussehen? Wie würde es euren Alltag verändern?
Wie sähe eine soziale Plattform aus, die nicht auf der Ökonomie der Aufmerksamkeit basiert, sondern auf der Förderung authentischer Verbindungen und kollektiver Intelligenz? Welche Strukturen und Anreize müssten geschaffen werden, um einen digitalen Raum zu kultivieren, der unser Wohlbefinden und unsere geistige Entwicklung fördert, anstatt sie zu untergraben?
Ich würde gerne eure Gedanken dazu hören. Hinterlasst einen Kommentar, schickt mir eine Nachricht, oder hey, warum nicht ein Gespräch darüber beginnen... in den sozialen Medien? Denkt nur daran, danach eine Pause einzulegen und mal wieder echtes Gras anzufassen statt zu rauchen.
Bis zum nächsten Mal, hier ist Damian Paderta der euch daran erinnert, neugierig zu bleiben, kritisch zu bleiben und vielleicht, nur vielleicht, auch mal eine Weile offline zu bleiben.